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Die Wasserleitung des Eupalinos auf Samos

Von Peter S.

von Dr.-Ing. Hermann J. Kienast - Deutsches Archäologisches Institut Athen

Der Tunnel des Eupalinos ist der Mittelteil einer beachtlichen Wasserleitung, die in den Jahren um 550 v. Chr. zur Versorgung der Stadt Samos, dem heutigen Pythagorion gebaut wurde.

Der Geschichtsschreiber Herodot hat den Tunnel rund 100 Jahre nach seiner Fertigstellung gesehen und voller Anerkennung beschrieben; es ist ausschließlich seiner Nachricht zu verdanken, daß der Tunnel in der Neuzeit wieder gesucht und im vergangenen Jahrhundert schließlich auch entdeckt wurde. Im Jahre 1882 wurde von den Einheimischen dann ein erster Versuch unternommen, die Leitung wieder in Gang zu setzen. Die damaligen Bemühungen mußten jedoch bald aufgegeben werden und es dauerte weitere 90 Jahre, bis der Tunnel schließlich durch das Deutsche Archäologische Institut in den Jahren 1971 - 1973 wieder vollständig freigeräumt und die Gesamtanlage auch erforscht werden konnte.

Die antike Wasserleitung hat ihren Anfang jenseits des Stadtmauerberges an einer Quelle im Dorf Agiades (heute überbaut). Von dort führt sie auf einer Länge von 900 m unterirdisch bis zum Nordabhang des Berges, durchquert in einem Tunnel von 1036 m Länge den Bergrücken und verläuft weitere 500 m am Südabhang auf der Stadtseite bis zu einem Brunnenhaus, von dem nur mehr die Grundmauern erhalten sind.

Die gesamte Wasserleitung ist ein technisches Meisterwerk ersten Ranges. Die ungeheure Leistung, die der Bau dieser Anlage bedeutet, läßt sich am einfachsten mit statistischen Zahlen würdigen: Für die Zuleitung mußten rund 1500 m³ gewachsener Fels ausgehoben werden, für den Tunnel mit dem Kanal rund 5000 m³ und für die Stadtleitung nochmals 500 m³. Alle diese Arbeiten wurden mit Hammer und Meißel durchgeführt, andere Hilfsmittel waren nicht verfügbar. Wie lange die Bauzeit in Anspruch nahm, läßt sich nur mehr mit Einschränkung ermitteln. Allein für die Durchtunnelung des Berges, bei der vor Ort nur jeweils zwei Hauer arbeiten konnten, müssen wenigstens acht Jahre angenommen werden, so daß für die gesamten Rohbauarbeiten wohl gut zehn Jahre anzusetzen sind. Nach Fertigstellung des Tunnels mußten mehrere Strecken von insgesamt rund 165 m Länge wegen Einsturzgefahr mit einem soliden Mauerwerk ausgebaut werden (so zum Beispiel am Südeingang), später wurden auf weiteren 100 m ähnliche Stabilisierungsmaßnahmen nötig.

Der Betrieb der Leitung war nicht weniger aufwendig: Das Wasser wurde in Tonröhren geleitet, von denen 4000 Stück auf der Drehscheibe hergestellt, gebrannt, transportiert und im Kanal sorgfältig verlegt werden mußten. Da das Quellwasser sehr kalkhaltig war, waren die Rohre bald mit Sinter verschlossen und mußten auf ihrer ganzen Länge aufgeschlitzt und gereinigt werden. Neben diesen natürlichen Ablagerungen mußten Unmengen von Lehm beseitigt werden, die durch schadhafte Stellen der Zuleitung immer wieder eingeschwemmt wurden. Insgesamt war die Leitung mehr als 1000 Jahre im Betrieb, bis sie im 7. Jahrhundert n. Chr. vernachlässigt wurde, bis schließlich kein Wasser mehr fließen konnte und auch die Eingänge, die letzten oberirdischen Hinweise auf die Leitung, verschüttet waren.

Am meisten Aufmerksamkeit erregte verständlicherweise seit je der Mittelteil der Wasserleitung, eben jener Tunnel, der den Stadtmauerberg durchquert. Der Tunnel liegt auf rund 55 m Höhe über dem Meeresspiegel und damit rund 180 m unter dem Gipfel. Er hat einen durchschnittlichen Querschnitt von 1,80 m auf 1,80 m und verläuft mit geringen Abweichungen waagerecht. An seiner Ostseite ist der Leitungskanal eingetieft, der auch das notwendige Gefälle aufweist. Dieser Kanal hat am Nordeingang des Tunnels bereits eine Tiefe von knapp 4 m und erreicht am Südausgang über 8 m. Zu erklären ist diese enorme Tiefe damit, daß sich beim Bau der Leitung der Quellpegel verändert hat und der Kanal deshalb tiefer gelegt werden mußte. Um diese Mehrarbeit so ökonomisch wie möglich zu bewältigen, wurde der endgültige Kanal abschnittsweise in einem eigenen Tunnel geführt.

Höchste Bewunderung gebührt dem Baumeister Eupalinos aber für die Art und Weise, mit der er die Vermessung des Tunnels gemeistert hat. Der Tunnel ist immerhin 1036 m lang und eindeutig von beiden Seiten gleichzeitig vorgetrieben worden. Bevor mit den Aushubarbeiten begonnen werden konnte, mußten folglich die Niveaus der Eingänge bestimmt und vor allem die Vortriebsrichtung festgelegt werden. Beides geschah mit einfachsten Meßgeräten - mit Fluchtstangen über den Bergkamm und mit waagrechten Peilungen um den Berg herum -, und in beiden Fällen wurde auch ein Höchstmaß an Genauigkeit erreicht. Die Linienführung des Tunnels ist bemerkenswerterweise nicht geradlinig, sondern weist mehrere Abknickungen auf, die zum Teil Bestandteil des Konzeptes sind und notwendig waren, um ein Zusammentreffen der beiden Stollen zu gewährleisten, zum andern Teil aber vorgenommen werden mußten, um gefährliche Zonen in Bergesinnere zu umgehen. Die Entschlüsselung der so entstandenen Tunneltrasse erwies sich als äußerst kompliziert und war nur zu erreichen dank der zahlreichen originalen Meßmarken, die auch heute noch an den Tunnelwänden zu beobachten sind.

Alles in allem ist der Tunnel des Eupalinos eine ingenieurtechnische Meisterleistung, die erst in der Neuzeit ihresgleichen gefunden hat.

Info!

Diesen Artikel habe ich als x-te Fotokopie in einem Hotel in Samos gefunden und für Euch abgeschrieben.
Er stammt von Dr.-Ing. Hermann J. Kienast - Deutsches Archäologisches Institut Athen

Link

Deutsches Archäologisches Institut Athen - Forschungsprojekt Samos

Geschrieben 17.07.2000, Geändert 17.07.2000, 4313 x gelesen.

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